Donnerstag, 18. Oktober 2007

Online kommen die Spione

Online kommen die Spione – und vielleicht die falschen Daten

Kollateralschaden am Rande: die Abschaffung von Demokratie und der angeblich verteidigten Freiheit

Aber wir werden doch im 21. Jahrhundert nicht wieder in das antiaufklärerische Denken verfallen, dass das Vorhandensein eines bestimmten Buches in der Bibliothek oder einer bestimmten Datei auf dem Rechner, ein Einverständnis mit dessen Inhalten bedeutet, oder doch?!

Eigentlich sind Online-Durchsuchungen eine gute Sache: Sie helfen terroristische Anschläge zu verhindern und bedeuten für den unschuldigen Bürger keine Gefahr. Auf den ersten Blick zumindest.

Was schrecken mich Online-Durchsuchungen?

Ich habe doch nichts zu verbergen! Oder doch? Nein, eigentlich nicht. Nur, wenn jemand aus dem Vorhandensein bestimmter Dateien falsche Schlüsse zieht (oder ziehen will), dann vielleicht doch.

In den letzten Jahren haben Micromedien wie E-Mails, SMS, Blogs und Internetforen neben den etablierten Medien einen weiteren Diskussionsraum eröffnet, der es zwar ermöglicht, im geschlossenen Zirkel seine Meinungen zu kolportieren, aus dem heraus es jedoch immer wieder einmal weitreichende Zurkenntnisnahme gibt. Beispiele dafür sind der Karikaturenstreit (siehe Kirchner, Henner (2007): „Micromedien in der arabischen Welt.“ In: Debatin, Bernhard (Hg.): Der Karikaturenstreit und die Pressefreiheit ) ebenso wie das Onlinetagebuch von Riverbend (http://riverbendblog.blogspot.com), das es geschafft hat, einen Einblick in die Rückentwicklung des Irak nach der Invasion zu verschaffen. Dan Sieradski (orthodoxanarchist.com) ist es während des Libanonkriegs 2006 gelungen via Internet mit jungen Libanesen Kontakt aufzunehmen – die Liste der internetten Grenzüberschreitungen ließe sich lange fortsetzen. Während gerade das Internet es vermag, ansonsten ausgeblendete Themen sichtbar zu machen, ermöglicht es gleichzeitig auch, dass sich bestimmte Zirkel, seien es nun fundamentalistische, rechts- oder linksradikale oder sonstige, subversive Botschaften zuschustern, konzertierte Aktionen planen und zur Gewalt aufrufen.

Diese Foren zu beobachten ist darum eine sinnvolle und lohnende Beschäftigung für unsere Verfassungsschützer. Der aktuell als Highlight im „Antiterrorkampf“ gefeierte Vorschlag, die längst realisierten Online-Durchsuchungen zu legalisieren, führt aber in eine ganz andere Richtung. Während man eigentlich mit den aktuellen Fahndungserfolgen zufrieden sein könnte, wird in Medien bundesweit und international angekündigt, dass man 2008 Anschlagspläne wie die zum 11. September nicht mehr ohne das Mittel der Online-Durchsuchung vereiteln könne. Woher wissen die Sprecher das? Häufiges Wiederholen wird aber auch diese Gedankenverrenkung schließlich plausibel erscheinen lassen. Wenn wir 2008 allerdings immer noch kriegführende Partei sind, könnte das Szenario „Anschlag in Deutschland“ vielleicht sogar stimmen.

Vielen Menschen fehlt derzeit vielleicht noch die Fantasie, wohin die aktuelle Entwicklung in den nächsten zwanzig Jahren führen könnte. Einen Vorgeschmack allein durch die Feststellung dessen, was in den letzten Jahren schon alles vorbereitet wurde, gibt das Buch von Rolf Gössner „Menschenrechte in Zeiten des Terrors“, das man auch „Menschenrechte in Zeiten des Antiterrorkampfes“ hätte nennen können. Kollateralschaden am Rande: die Abschaffung von Demokratie und der angeblich verteidigten Freiheit. Stattdessen wird ein System von „Präventivmaßnahmen“ installiert, das u.a. die Verwischung von Grenzen zwischen Polizei und Geheimdiensten vorantreibt und eine massive Militarisierungskampagne national wie international betreibt. Wir führen Krieg und sollen es laut Weißbuch der Bundeswehr auch dauerhaft tun. Ein Staat, der nach außen Macht ausübt, muss aber auch nach innen Macht ausüben, sonst ist das System gefährdet. Andere lassen sich nur beherrschen, wenn man die eigenen Leute kontrolliert – der heute noch zaghaften, aber wachsenden Auflehnung gegen diese Politik wird nun schon „präventiv“ der Riegel vorgeschoben für die langfristige Sicherheit des Machtapparates.

Welche Rolle spielen Online-Durchsuchungen hierbei? Nun, vielleicht nur diese, die Menschen von der Nutzung des Internets abzuschrecken, denn ein Stand-Alone-Gerät ist ohne Hausdurchsuchungsbefehl zunächst eine relativ private Angelegenheit. Dann wären die PR- und Lobbygruppen gefütterten Mainstream-Medien (siehe exemplarisch Becker/Beham 2006: Operation Balkan – Werbung für Krieg und Tod) wieder eine wichtigere Quelle für eine große Zahl von Bürgerrechtlern, die in den letzten Jahren via Internet für Ihre Anliegen eine ansehnliche Mitstreiterschaft auf die Beine stellen konnten. Das ganze also vielleicht auch eine kleine Einschüchterungskampagne für allzu forsche Friedensbewegte? Oder Wissenschaftler, die sich durch allerlei Schriftwerk merkwürdigster Autoren wühlen, um herauszufinden, wie das Volk denkt? Wer darf zu welchem Thema forschen und dazu Daten sammeln und speichern? Wer macht sich mit welchem Material auf dem Computer verdächtig? Hauptverdächtiger der Zukunft müssten also eigentlich Polizei und Verfassungsschutz sein, weil sich auf den Rechnern der Beamten erwartungsgemäß etliche subversive Daten befinden dürften.

Aber wir werden doch im 21. Jahrhundert nicht wieder in das antiaufklärerische Denken verfallen, dass das Vorhandensein eines bestimmten Buches in der Bibliothek oder einer bestimmten Datei auf dem Rechner, ein Einverständnis mit dessen Inhalten bedeutet, oder doch?! Wenn dem so ist, kann das Institut für Medienverantwortung schließen. Natürlich befassen wir uns mit Texten rechtsradikaler, islamistischer, evangelikaler, zionistischer und neokonservativer Autoren, mit übelsten medialen Gewaltdarstellungen u.v.m. – darum sind diese auch auf unserem Rechner ebenso vorhanden wie in unserer Bibliothek. Zu Studienzwecken leihen wir uns Mein Kampf aus Universitätsbibliotheken aus, sind also im Buchungsverzeichnis zu finden, und prüfen gar die Übersetzung ins Englische. Goebbels Tagebücher sind eigentlich Pflichtlektüre für Medienwissenschaftler, um sich mit den Darlegungen der einfachsten und effektivsten Formen von Propaganda auseinanderzusetzen, die man heute in Teilen in verschiedensten Bereichen wieder finden kann und muss. Apotheker sollten eigentlich recherchieren, wie man mit welchen Substanzen Bomben baut, um bei eventueller Nachfrage nach bestimmten Substanzen der Polizei einen Hinweis geben zu können. Aber angesichts der Überwachungspläne ist das wohl nicht mehr ratsam. Schon gar nicht für Apotheker mit einem arabischen Namen. Oder man stelle sich einen türkischsprachigen Wissenschaftler vor, der zum Thema „Islamismus in der Türkei“ forscht – oder einen jüdischen Wissenschaftler, der sich die Ideologie der Siedler-Bewegung in Israel zur Analyse vornimmt ...

Uns bleibt zu hoffen, dass man also nur dann verhaftet wird, wenn es wirklich explizit um persönlich verfasstes Material geht, das zu Gewalt und Terror aufruft. Und das kann es schließlich nicht geben, nicht bei uns! Der Gedanke beruhigt – aber nur für einen kurzen Moment. Wer nämlich garantiert, dass sich nicht per Trojaner Dateien solchen Inhalts auf unseren Server schleichen. Hat schon jemand behauptet, dass der Datentransfer nur eine Einbahnstraße ist?

Offline ist die Teilnahme an den egalitär demokratisch nutzbaren Micromedien schon wesentlich eingeschränkter. Man muss jedes Mal ins Internetcafé gehen, wenn man internetten Kontakt mit der Welt aufnehmen will. Das ist freilich für Wissenschaftler, ehrenamtliche Friedensaktivisten und andere Menschen mit Zeitnot nicht realisierbar. Diese Strategie müssen wir dann denen überlassen, die wirklich etwas zu verbergen haben – und die werden clever genug sein, das Internetcafé auch öfter mal zu wechseln.

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Heinrich Heine, Romantische Schule, 1835

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Meine Kommentare

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