Fakt: Denkstunde - Diskurs über die Krise
Wir denken besser selber nach! Fehldiagnose führt zu Fehlbehandlung. Die Krise ist da. Und mit ihr das Heer der Heilkünstler. Den Finger besserwissend im Wind. Nun sind sie da, die Krise, ihre Symptome, die Heilkünstler und ihre vernebelnden
Erklärungsmodelle: Wie höre ich da hoch hüpfen, die Wissenden. Krisen kämen von Überproduktion, durch Verzocke, als allgemeine Krise des Kapitals oder als zyklische Krisen kapitalistischer Berg- und Talfahrt. Aus einer Enzyklopädie1 hole ich mir die Weltwirtschaftskrise: “Bezeichnung für eine heftige oder andauernde wirtschaftliche Krise, die nicht auf einen einzelnen Staat beschränkt bleibt, sondern zu einem umfassenden Zusammenbruch in allen Teilen der Weltwirtschaft führt. Gemeinhin wird mit dem Begriff Weltwirtschaftskrise jener Konjunktureinbruch bezeichnet, der in den Jahren 1929 bis 1933 die Weltwirtschaft in einem bis dahin nicht gekannten Ausmaß traf und zur größten wirtschaftlichen Katastrophe der Neuzeit wurde… Die Krise von 1929 bis 1933 betraf vor allem die USA und Deutschland. Ein unbändiger Konjunkturoptimismus und der Glauben an eine anhaltende Prosperität der amerikanischen Wirtschaft führte in den USA zu umfangreichen Aktienspekulationen (zwischen 1927 und 1929 verdoppelten sich die Aktienkurse). Am Freitag, dem 25. Oktober 1929, dem so genannten Schwarzen Freitag, kam es in New York zu massiven Kursstürzen und in der Folge zum Konjunktureinbruch. Liquiditätsschwierigkeiten sorgten für Kündigungen von Krediten in den USA und zu Rückrufen der nach Europa gegebenen, zumeist kurzfristigen Kredite. Davon war vor allem Deutschland betroffen, das sich - zur Erfüllung von Reparationsverbindlichkeiten und zur Modernisierung der durch Kriegs- und Nachkriegsereignisse entwerteten Produktionsanlagen -, im Ausland hoch verschuldet hatte. In Deutschland führte diese Entwicklung zu einer schweren Bankenkrise, zu zahlreichen Konkursen sowie zu Massenarbeitslosigkeit (1932 rund sechs Millionen)…” und zum Friedenschaffen2
Viel “moderne” Lösungswege: Keynes´sche Globalregulierung3, Friedmannscher Geldmengenausgleich4, Samuelsons Formelland5, Tinbergens Politikross6 etc. pp. - 2009 nicht zu unterschlagen, der neulinke Nationalstaat - Sozialismus ohne Sozialismus, doch mit starkem Nationalkapital7.
Allerorts rote Tücher. Als hätte es nie Marx gegeben. Kein Geldumlaufgesetz8, kein tendenzieller Fall der Profitrate9, kein Krisenkreislauf10, aber - was tausendmal unverzeihlicher ist - wenig Nachdenken über vorhandenes Wissen und böse Erfahrungen.
Krisen umschwirren das Kapital, wie die Motten das Licht. Je nachdem wie man sie ordnet, mehr oder weniger als ein Dutzend zu Marx Zeiten.
Und dementsprechend beschäftigen sich auch seine Arbeiten recht umfassend mit der Analysis von Krisen. Kapitalistischer Praxis ordnet Marx den gesetzmäßigen ökonomischen Kreislauf zu: mittlere Lebendigkeit - Prosperität - Überproduktion - Krise - Stagnation.11
Nichts ist alldem hinzuzufügen. Bis auf die lapidare Tatsache, dass der Staat zum Kapital gehört. Er hat keine eigenständige Funktion. Sein Platz ist im wirtschaftlichen System. Ohne Wenn und Aber.
Reguliert der kapitalistische Staat12, so reguliert er nur die Geschwindigkeit der Aufeinanderfolge des Krisenkreislaufs. Er beseitigt weder dessen Ursachen, noch dessen Gesetzmäßigkeit noch wird aus ihm ein liberaler- oder sozialer Rechtsstaat.
Bewegte sich kapitalistische Produktion ausschließlich im Wechsel von Konjunktur und Rezession, wären ihre ungezogenen Regularien nur Angebot und Nachfrage, wäre der Krisenkreislauf zu verschmerzen.
Kapital strebt aber unabhängig frommer Wünsche zum Maximalprofit. Dessen Expansionsstreben löst es von den Interessen der Produzenten und den Interessen der Besitzer der Produktionsmittel gleichermaßen. Das Gesetz kommunikativer Effizienz13, das Universalgesetz des Universums, kommt hier zum Tragen. Kapital kennt weder Moral noch humane Werte noch Nationalstolz. Der ökonomische Krisenkreislauf muss daher um seine politische Komponente erweitert werden, die gnadenlose Schaffung der Bedingungen zur Maximalprofitumsetzung.
Der komplette Krisenkreislauf schließt sich daher nicht nur mit dem Krieg, sondern seine materielle und personelle Vorbereitung begleiten den Kreislauf14 ständig. Im Zustand “mittlerer Lebendigkeit” oder im Zustand “wachsender Belebung” bricht kein Krieg aus, da ist er kräftig in Vorbereitung. In den folgenden Phasen jedoch ist der Griff des Kapitals zum Krieg sehr wohl möglich und damit auch abhängig von Handeln und akuten Interessenlagen.
Mit dem Verlottern eines Teils des Geldes vom allgemeinen Warenäquivalent im Ware - Geld - Ware Zyklus zum Spekulationsgegenstand geschieht jedoch eine Verwandlung des Geldes vom allgemeinen Zirkulationsmittel zum allgemeinen Spielgegenstand. Das Geldwertgesetz der Produktion wird unterwandert, indem dem Geld der Warenwert entzogen wird. Zwischen dem allgemeinen Zirkulationsmittel und dem allgemeinen Spielgegenstand Geld bestehen Welten. Der Spielgegenstand verlässt den Produktionskreislauf, wird Spekulationsobjekt neben ihm und als solches, da für ihn quasi gesellschaftlich wertlos, aus ihm ausgegliedert.
Verbindlichkeiten, deren gesellschaftliche “Schuld” im Ware - Geld - Ware Kreislauf unbedingt bedient werden muss, weil z.B. Produktions- und Lieferzeitunterschiede sie als Warenwerteäquivalente widerspiegeln, verkommen im Spekulationsgeschäft zum “Ehrengeschäft” der Spielschuld.
Wird dieses “Ehrengeschäft” vom Verlierer nicht bedient, oder vom Gewinner nicht eingefordert, so ist das für den sozialen Lebensprozess der Partner belanglos, da dessen Verbindlichkeiten keiner Leistung entspringen. Bediente Verbindlichkeit eines Spekulationsgeschäfts führt zwar zur Kapitalanhäufung auf der einen und zur Kapitalabnahme auf der anderen Seite, aber sie führt nicht zu Warenwertzunahme oder -abnahme.
Die Kumulation von Spekulations- oder Scheinkapital wird in Verbindung mit Verbindlichkeiten gegenüber leistungshinterlegtem, realem Kapital zur Gefahr, wenn ihre Verbindlichkeiten gleichberechtigt bedient werden. Scheinkapital avanciert dann zur politischen Gewalt. Juristisch dem Leistungskapital gleichgestellt, kann es auch dessen politischen Machtfunktionen ausüben. In den sonst relativ gleichmäßigen Krisenkreislauf, schleicht sich das Moment subjektiver, bewusster Schaltfunktion.
Sie ermöglicht das bewusste Auslösen einer Krise. Netzwerke, Macht besitzende Seilschaften werden in die Lage versetzt, Zeit, Region und Umfang der Krisenmomente zu steuern. Das Auslösen einer Krise durch asoziale elitäre Interessengruppen wird möglich.
Die lancierte Krise greift in die Realwirtschaft ein, bedient Verbindlichkeiten. Sie wäscht, durch nationales und internationales Recht gestützt, Spekulationsverbindlichkeiten in ökonomische Verbindlichkeiten.
Politische Verwaltungseinheiten werden zu Geldwaschanlagen. Eine auf den Schultern der rechtschaffenen Masse, ohne Rücksicht auf deren Verluste abzielende, internationale Neuordnung der Finanz- und Kapitalmärkte im Interesse weniger Seilschaften ist die Folge.
Man muss somit das (objektiv) ökonomische Krisengefüge kapitalistischer Produktionsweise (allgemeine und zyklische Krise) um den Begriff der (subjektiv) politischen Zweckkrise erweitern (eine Fehldiagnose der Krise führt mit Notwendigkeit zu ihrer Fehlbehandlung).
Eine Verstaatlichung einer Bank wäre somit nur stabilisierender Zwischenschritt zu erneuter Privatisierung, die Förderung nationaler Wirtschaft nur Bereicherung privater Wirtschaft.
Das käme einer grundlegenden Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse gleich. Dies aber kann der Staat des Kapitals nicht leisten, da er dadurch aufhören würde, Staat des Kapitals zu sein.
Das nationale Interesse einer Zweckkrise erwächst nur aus der feigen Minderheit geringem Kampfwert. Sie benötigt die Masse, um ihre Taschen und die Kampffelder zu füllen. Da ihre Opfer immer als Verlierer enden, also kein Eigeninteresse an der Durchsetzung der Interessen elitärer Seilschaften haben können, ist das Nationalgejaule einzige Möglichkeit, den Tod mit Vorteil der Masse schmackhaft zu machen.
Und die Moral von der Geschicht´: 1) Krisen und “Friedenschaffen” sind Begleiter kapitalistischer Produktion und als solche unter kapitalistischen Verhältnissen jedweder Art unvermeidlich. 2) Will man ihrer ledig werden, muss man die kapitalistischen Umstände hinwegfegen. 3) Zweckkrisen sind eigentlich keine Krisen, sondern Mittel der Politik16 im Gefüge von Krise und Krieg. 4) Hätte das Volk Entscheidungsgewalt, könnte es hin und wieder seinem Missbrauch möglicherweise temporär begegnen, indem es dem Sozialgeschrei des Finanz- und Industriekapitals nicht auf den Leim ginge und deren Spekulationsverbindlichkeiten absolut ignorieren würde. 5) Das hebelt jedoch Satz Nummer zwei nicht aus. 6) Das Volk kann Krisen- und Kriegsgeschäft nie begegnen, indem es den Seilschaften ihrer Verursacher und Nutznießer finanziell und mit nationaler Opferbereitschaft unter die Arme greift.
1 Encarta Enzyklopädie, 1999, Weltwirtschaftskrise (kursiv: eigene Hervorhebungen)2 A. Hitler, 6. 10. 1939, Auszug aus der Siegesrede nach dem Polenfeldzug: “Als Führer des deutschen Volkes kann ich in diesem Augenblick dem Herrgott nur danken, dass er uns in dem ersten schweren Kampf um unser Recht so wunderbar gesegnet hat und ihn bitten, dass er uns und alle anderen den richtigen Weg finden lässt, auf dass nicht nur dem deutschen Volk, sondern in ganz Europa ein neues Glück des Friedens gedeihen wird.”
3 John Maynard Keynes, Theorie alleiniger Rezessionsbeendigung durch globalgesteuerte staatliche Zugriffe, wie Steuersenkung, Kaufkraftbelebung, Staatsausgabenerhöhung etc.
4 Milton Friedmann, Theorie des Monetarismus, fordert die Geldmengenregulierung durch den Staat, um Rezession und Inflation zu verhindern
5 Anthony Samuelson, Formelsammlungen zur Berechnung von Wirtschaftphänomenen
6 Jan Tinbergen, Theorie der Priorität vernünftiger Politik für optimale und soziale Wirtschaft
7 siehe Thesen von “Die Volksinitiative”, Februar 2009, www.volks-initiative.info
8 Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, MEW, Bd. 23, S. 133 (Preissumme der Waren dividiert durch Umlaufanzahl gleichnamiger Geldstücke = Masse des als Zirkulierungsmittel fungierenden Geldes)
9 Karl Marx, Das Kapital, Dritter Band, MEW, Bd. 221 ff. (was gesellschaftlichen Wohlstand fördert gerät in Konflikt mit den privatkapitalistischen Interessen, es lässt die Profitrate sinken, weil der Gegenstand gesellschaftlicher Arbeit objektiv die Entwicklung des gesellschaftlichen Wohlstandes ist / “Die progressive Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortscheitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion der Arbeit.” S. 223)
10 Karl Marx, Lohn, Preis, Profit, MEW, Bd. 16, S. 145 (”…sich in bestimmten periodischen Zyklen bewegt. Sie macht nacheinander den Zustand der Stille, wachsender Belebung, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation durch.”)
11 Karl Marx, Das Kapital, Erster Band, MEW, Bd. 23, S. 476 (”Das Leben der Industrie verwandelt sich in einer Reihenfolge von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Prosperität, Überproduktion, Krise und Stagnation.”)
12 Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, MEW, Bd. 21, S. 165 (”Der Staat ist… das Eingeständnis, dass sich diese Gesellschaft in einem unlösbaren Widerspruch mit sich selbst verwickelt, sich in unversöhnliche Gegensätze gespalten hat, die sie zu bannen ohnmächtig ist. Damit aber diese Gegensätze, Klassen mit widerstreitenden ökonomischen Interessen nicht sich und die Gesellschaft in fruchtlosem Kampf verzehren, ist eine scheinbar über der Gesellschaft stehende Macht nötig geworden, die den Konflikt dämpfen, innerhalb der Schranken der ‘Ordnung’ halten soll; und diese, aus der Gesellschaft hervorgegangene, aber sich über sie stellende, sich ihr mehr und mehr entfremdende Macht ist der Staat.”)
13 F.F.H. Fakt, Das Gesetz des Universums, Pest, Banditen, S. 520 ff., www.raubgewinn.com
14 ebenda, Aggressionskreislauf, S. 647
15 siehe Rettungspaket vom 23. März 1933, “Gesetz zur Belebung der Not von Volk und Reich”
16 nach Carl von Clausewitz: “Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.”
von F.F.H.Fakt. :))
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