Die Gipfel, die von unseren Leuten erreicht wurden
Paul Zachary, „PZ” Myers, ist Professor für Evolutionsbiologie an der Universität von Minnesota. Bekannt ist er vor allem für seinen Feldzug gegen Intelligent Design und Kreationismus und für seinen populären Blog Pharyngula. Seine bissigen, aggressiven Texte haben einen Stammplatz bei RichardDawkins.net, Sammelstelle der Neuen Atheisten.
Im folgenden Text geht er auf den amerikanischen Literaturwissenschaftler Stanley Fish ein, der die Neuen Atheisten angreift. Auf dessen Kritik haben nur Abonnenten der New York Times Zugriff, jedoch fasst Meyers die Positionen Fishs zusammen und spricht einige entscheidende Punkte an, die Atheisten allgemein betreffen.
Ehrfürchtig bewundern wir die Höhen, die unsere Leute erreichten
Als die Buddha-Statuen von Bamiyan gesprengt wurden, war es kein Atheist, der den Zünder betätigte. Diese modernen Atheisten, die so viel Abscheu bei den Apologeten der Religion hervorgerufen haben, sind keine Zerstörer, welche die Vergangenheit niederreißen wollen, oder die eine zersetzende Ideologie voranbringen möchten - sie sind keine Philister, die Literatur und Kunst und Musik ablehnen und sie sind keine Monster, die Menschen auslöschen wollen, um ihre Ziele zu erreichen. Wir sind nicht hier, um die Welt der Ideen zu zerstören oder die Überbleibsel unserer religiösen Geschichte in Kunst und Architektur auszuradieren, obwohl uns solche schändlichen Pläne vorgeworfen wurden; solche Forderungen sind nämlich leicht als Tobsuchtsanfälle von Verrückten abzutun.
Stanley Fish geht nicht ganz so weit, wenn er diese „Neuen Atheisten” verdammt, vielleicht um den paranoiden Märtyrer-Komplex des Mobs zu vermeiden, den man leicht verspotten kann. Anstatt dass wir nun die „Neuen Kommunisten” sind, die vorhaben, die Orthodoxen nach Sibirien zu schicken, sind wir mal eben unbelesene, ungebildete Beinahe-Analphabeten mit keiner Achtung vor den Tiefen des religiösen Denkens. Wir verstehen die Nuancen nicht, heult er, wir lehnen alle Texte und Traditionen ab als „leichtgläubig, dumm und ignorant”. Wir verstehen einfach nicht, Punkt.
„Stellen Sie sich vor, sagt Hitchens, Sie wären ein religiöser Mensch, dann wären Sie davon überzeugt, dass ein gütiger, allmächtiger Schöpfer alles überwacht und dass „Sie sich für eine Ewigkeit in Ruhe und Seligkeit qualifizieren, wenn Sie sich an die Regeln und Gebote halten, die er liebevoll vorgeschrieben hat”.
Mir ist kein religiöses System bekannt, welches ein derart selbstgefälliges Bild vom Glaubensleben bietet, ein Leben, das immer als ein Minenfeld von Schwierigkeiten, Hindernissen und Versuchungen dargestellt wird, die von einer beschränkten Kreatur in seinen oder ihren Anstrengungen ausgehandelt werden muss, um mit dem Unendlichen übereingestimmt (und verbündet) zu werden. Die Klage des Hl. Paulus kann für viele gelten: „Das Gute, das ich tun würde, tue ich nicht; aber das Böse, das ich nicht tun würde, tue ich… Wer soll mich erlösen?” (Römer, 7: 19, 24). Die Qual dieser Frage und die unglaublich nuancierten und eleganten Schriften von denen, die versucht haben, sie zu beantworten, sind das, was die drei Atheisten übersehen; und indem sie so viel übersehen, sind sie in der Lage, eine Denkweise mal eben so lustig zu entlarven, die sie nicht einmal einsatzweise begreifen.”
Stanley Fish ist ein blinder Mann.
Zunächst einmal ist dieser „selbstgefällige” Glaube, von dem er behauptet, dass er nicht existiert, überall: Schalte deinen Fernseher an, Stanley. Sieh dir ein Football-Spiel an und du wirst christliche Spieler erkennen, die Gott für ihre Touchdowns verantwortlich machen. Schau dir an, wie unsere Politiker gottesfürchtig erklären, dass sie für unsere Truppen beten. Sieh dir an, wie die Fernsehprediger ihre Zuschauer mit dreister Profitmacherei melken; hast du noch niemals vom „Wohlstandsgospel” gehört? Gib dem guten Hochwürden einen Teil deines Wohlfahrt-Schecks und der Reichtum wird dir zehnfach zurückgezahlt. Der Großteil religiösen Denkens ist „leichtgläubig, dumm und ignorant”. Schalte deinen Fernseher aus und besuche deinen örtlichen konvertierten Lebensmittelladen, der von einem dieser schnellwachsenden evangelikalen/charismatischen/pfingtsbeweglerischen Kirchen verwendet wird und frage irgend einen Anwesenden und er wird dir sagen (so lange du ihn nicht beim Namen nennst), dass Hitchens Charakterisierung zutrifft. Der Glaube wird dich mit dem Paradies belohnen.
Es ist diese zweite Anschuldigung, dass wir „nicht einmal ansatzweise begreifen”, die viel unterschwänglicher und unehrlicher ist. Es ist vielmehr klar, dass Fish nicht begreift.
Sein Artikel ist übersät mit literarischen Anspielungen: Da wäre Bunyans „Pilgerreise”, dessen Held einem Erlösungstraum entgegen flieht; er verwendet Miltons „Das verlorene Paradies”, um die Existenz des Bösen mit dem Konzept des „freien Willens” zu erklären; er spielt auf das Buch Hiob und Jesu Leid am Kreuz als Beweise dafür an, dass sich die Religiösen bis heute mit dem Problem des Leids herumgeschlagen haben. Und natürlich haben sie das. Wir alle haben das.
Fish ignoriert, dass es sich hier um gänzlich menschliche Leiden, menschliche Bestrebungen, menschliche Bemühungen handelt, um einen Sinn zu finden. Er überspringt, wie so viele andere Apologeten der Religion, den Ursprung dieser Ängste und Erwartungen, und versucht das alles in Bezug auf seine eingebildete Gottheit zu rechtfertigen. Warum verlangt die Kirche von uns, einen Gott zu preisen? Weil das alles ist, was wir „angesichts seiner Allmacht und Allgegenwart” tun können. Warum verdammte Gott seine gesamte Schöpfung und ihre Nachkommenschaft für das banale Vergehen, eine verbotene Frucht zu essen, dazu, zu sündigen und zu leiden? Wenn es kein banales Vergehen gewesen wäre, dann hätte die Gottheit unsere Folgsamkeit nicht damit testen können. Wie kann ein gütiger Gott erlauben, dass der Holocaust geschieht und wie können die Leute ihren Glauben bewahren, wenn sie mit überwältigendem Bösen konfrontiert werden? Weil das alles unsere Schuld ist, unsere verschmutzende Sünde und Verderbtheit. In jedem Fall lässt Fish menschliche Ursachen und menschliche Anstrengungen aus und gräbt eine blasse theologische Entschuldigung aus, irgend ein dünnes Schmerzmittel aus der gefälligen Welt der Priester, um den vollkommen unwirklichen Taten eines unsichtbaren und unfähigen kosmischen Geistes das Wort zu reden; eine Entschuldigung für diese liebende, allmächtige, handelnde Kraft, um rein gar nichts zu tun, um seine angebliche Macht nicht wahrnehmbar zu machen.
Wir Atheisten sagen, dass wir uns von diesen schwachen Rationalisierungen abwenden müssen, ganz egal, wie poetisch sie vielleicht sein mögen, und dass wir erkennen sollten, dass ihre Macht und ihr Reiz von ihrer Menschlichkeit ausgehen, nicht von ihrer Religiosität. Vergesst Gott, diesen leeren Klotz, dieses große Vakuum, das die Menschheit mit ihren Ängsten und Träumen aufgeladen hat, und beachtet stattdessen, was wir erschaffen und gefühlt haben.Wenn jemand um ein totes Kind trauert oder ein großes Gedicht schreibt, dann sollte es überhaupt nicht entscheidend sein, was sich irgendein Priester gerade vorstellt von dem, was sein Phantom gerade so treibt. Wendet eure Augen ab von eurer himmlischen Wahnvorstellung - wirklich sind die Tränen dieser Frau, der Erfolg dieses Kindes, dieses Sandkorn, dieser fliegende Vogel. Die Bedeutung leitet sich ab von der Wirklichkeit dessen, was wir sehen und fühlen können, nicht von geschwurbeltem Dunst und eigennütziger Marktschreierei über ein abstraktes Konzept wie „Gott”.
Fish verwechselt die Ablehnung des übernatürlichen Vorwands mit der Ablehnung der Tiefe echter Gefühle. Er hat Unrecht. Ich zumindest lese seine oberflächliche theologische Fußnote mit Abscheu, weil ich erkenne, wie er das Jahrtausende alte Wunschdenken von Schamanen und Priestern an die Stelle der tatsächlichen Verfasstheit des Menschen setzt - seine versöhnlichen Entschuldigungen unterstützen Generationen von Lügen. Er verwechselt die Bemühungen der Autoren dieser Texte, Leid und Zweifel zu bewältigen, mit der Legitimität einer religiösen Antwort; ich kann gleichzeitig die Schönheit religiöser Literatur und den Kampf, der in sie gesteckt wurde, respektieren und erkennen, dass es ein Fehler wäre, sich wieder dem Willen einer eingebildeten Wesenheit zu unterwerfen. Ich denke nicht, dass Gläubige einfach gestrickt sind - Ich denke, dass das Leben hart sein kann und dass die großen Geister der Geschichte viel Mühe in den Versuch gesteckt haben, Schmerz und Schönheit einen Sinn zu geben, weil es das ist, was menschliche Geister tun. Ich denke aber auch, dass es eine verlockende Falle ist, die Aufgabe weiter zu reichen und einen unbeschreiblichen universellen Willen zu erfinden, eine Falle, in die Fish bereitwillig hinein gefallen ist und in der wir versuchen, unseren Geisteszustand auf das Universum als Ganzes zur projizieren. Das Leid des Hl. Paulus war real, aber die übernatürliche Wesenheit, an die er es richtete, war es nicht. Wenn ein Atheist die Wesenheit ablehnt, heißt das nicht, dass er das Leid nicht wahrnimmt.
In der Bibel, die Fish zitiert, steckt zum Teil viel Arbeit, einiges an wundervoller Lyrik, und sie spiegelt ein paar tausend Jahre der Bemühung von Menschen wider, die versuchen, ihre Welt zu verstehen. Was ihren Wert verringert sind nicht die Atheisten, welche die Antworten ablehnen, die sie gibt - dass ein allmächtiger magischer Mann hinter dem Universum steckt - sondern jene, die sie akzeptieren und die Bedeutung darin suchen, routinemäßig ihre Worte zu zitieren, ohne sich darum zu kümmern, wie die Geister menschlicher Wesen einiges an Trost in der Bemühung finden können, die Welt zu erklären. Statt als Gedankenspiegel wird sie behandelt wie ein Rezeptbuch für Erlösung. Vielleicht sollte Fish sein frommes Ermahnen gegen blinde Gläubige richten, die nichts wollen als eine Antwort, anstatt gegen die Wenigen, die noch immer die Frage würdigen können.
Das Gepäck abergläubigen, religiösen Denkens ist es, was Dawkins die Wahnvorstellung nennt und von dem Hitchens sagt, dass es „alles vergiftet” — nicht das Buch selbst, nicht die literarischen Qualitäten des Geschriebenen, nicht der Schmerz, der im Buch Hiob ausgedrückt oder die Liebe, die im Buch Salomon mitgeteilt wird. Keiner dieser Autoren möchte, dass die Bibel verbrannt oder ihren Lesern vorenthalten wird. Wir möchten, dass die Menschen das Buch als großes Sammelsurium menschlicher Mitteilungen verstehen, das nicht so sehr ein unsinniges Bild von etwas Göttlichem verfechtet, als vielmehr das komplexe, weltliche, manchmal hochfliegende und manchmal hasserfüllte Bild von uns selbst. Aber nein, stattdessen kriegen wir das bedeutungslose Geschwafel über die persönlichen Wünsche dieses aberwitzigen Gottes zu hören, die selbe Art fieberndes Geschwätz, das Fish als eine Rechtfertigung dafür anbietet, Atheisten vorzuwerfen, dass sie nicht die Tiefen der Gottheit verstehen würden.
Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben für die gottlose Sicht auf Ihre heiligen Bücher. Es gibt ein Buch, an das ich mich wende, wenn ich den Schmerz des Kummers fühle; ich habe es zuerst entdeckt, als meine Großmutter vor vielen Jahren starb und ich habe es seitdem mehrmals gelesen, normalerweise, wenn ich jemanden verlor, der mir etwas bedeutete. Es ist nicht wirklich ein religiöser Text, obwohl Götter und einige religiöse Konzepte darin vorkommen, aber er ist glücklicherweise frei von dem mystischem Gepäck, mit dem unsere Kultur die Bibel belädt -es ist einfacher, die übernatürlichen Beiklänge abzuschütteln, wenn der Gott nicht Jesus heißt und kein Wesen ist, das Ihre Tante für real hält, und wenn es nicht irgendwo einen Literaturkritiker gibt, der bereit ist, Ihnen mangelndes Verständnis der Nuancen vorzuwerfen, weil Sie nicht an die Zaubertricks eines alten Propheten glauben.
Das Buch ist ein episches Gedicht, Gilgamesh. Ich mag besonders die Verserzählung von Herbert Mason, die nicht so sehr eine wörtliche Übersetzung ist (das Original ist eine Sammlung von 2500 Jahre alten babylonischen Steintafeln), als vielmehr ein Versuch, den Geist der Geschichte einzufangen. Falls Ihnen das nichts sagt, legen sie diese Bibel weg und lesen Sie es - es ist im Prinzip ein Klagegesang über die Sterblichkeit. Es handelt von einem König, Gilgamesh, dessen geliebter Freund Enkidu stirbt und ihn am Boden zerstört voller Kummer zurück lässt.
Enkidu, den ich so sehr liebe,
Der mit mir durch dick und dünn gegangen ist.
Er starb - wie jeder gewöhnliche Mensch.
Tag und Nacht weinte ich.
Ich wollte ihn nicht in ein Grab legen.
Er wird auferstehen, das weiß ich, eines Tages.
Dann jedoch sah ich, dass er tot war.
Sein Gesicht fiel nach mehreren Tagen
In sich zusammen,
Wie Spinnweben, die ich berührte
Mit meinem Finger.
Hier ist der Prüfstein, das gemeinsame Element, das Atheisten und Theisten teilen und das im Kern jener Arbeiten liegt, die Fish hochleben lässt und von denen er glaubt, dass sie die gottlosen Philister ablehnen. Wir sind mit der menschlichen Erfahrung verwoben; es sind nur die oberflächlichen und eifernden Kritiker, die glauben, dass einige von uns das Wesentliche nicht begreifen, weil wir nicht an die Göttlichkeit von Anu und Marduk glauben … oder von Jesus oder Mohammed.
Der Rest der Geschichte ist eine Suche, weil Gilgamesh nach einem Weg sucht, seinen Freund von den Toten zurückzubringen oder Unsterblichkeit für sich selbst zu gewinnen. Es sind Gottheiten und Monster daran beteiligt, einige interessante mythologische Figuren, Reisen in die Unterwelt, etc. — alles sehr spannend, so lange Sie bereit sind zu erkennen, dass es alles Dichtung und Gleichnis und Geschichtenerzählen ist. Was ich als Atheist am befriedigensten finde, ist, trotz allem, die Glaubwürdigkeit. Es handelt sich um eine Geschichte über Verlust, und, am wichtigsten, die Suche schlägt fehl - sein Freund wird ihm nicht wieder zurück gegeben, er erkennt, dass er eines Tages auch sterben wird und dass es kein unbedachtes, leeres Versprechen gibt, dass wir in einem paradiesischen Nachleben wieder vereint sein werden, wenn wir nur die richtigen Rituale ausüben. Wir leben, wir sterben, Menschen trauern, das ist die harte Wahrheit.
Als er diesen Verlust als
Das Ende seiner Reise erkannte
Kehrte er nach Uruk zurück.
Vielleicht, fürchtete er,
Würde sein Volk den Schmerz
Nicht teilen, den er kannte.
Er betrat die Stadt und fragte einen blinden Mann
Ob er jemals den Namen Enkidu gehört habe,
Und der alte Mann zuckte mit der Achsel und schüttelte den Kopf,
Wandte sich dann ab,
Als ob er sagen wollte, dass es unmöglich ist,
Die Namen von Freunden zu behalten,
Die wir verloren haben.
Gilgamesh sagte nichts weiter
Um sich von seinem Schmerz abzulenken.
Er betrachtete die Mauern,
Bewunderte ehrfürchtig die Höhen,
Die seine Leute erreicht hatten
Und für einen Moment - nur einen Moment –
Verschwand alles, was hinter ihm lag
Aus seinem Blick.
An der gottlosen Sicht ist mehr dran als nur das „fröhliche Enthüllen” und der vermutete Mangel an Verständnis, den uns Fish mitteilt. Wir entkommen dem Leid nicht, uns fehlen keine Freuden und wir versuchen so hart wie (ich denke sogar noch härter als) die Gläubigen, Sinn in unserem Leben zu finden. Wir akzeptieren einfach nicht die Abkürzung des magischen Denkens, die geistigen Faulpelzen erlaubt, den Pfad des religiösen Eskapismus zu folgen.
Ehrfürchtig bewundern wir die Höhen, die unsere Leute erreichten. Keine Götter, keine Religion. Wir.
Übersetzung: Andreas Müller
Original: PZ Meyers: “We stand awed at the heights our people have achieved”. Pharyngula. 12. Juni 2007
Im folgenden Text geht er auf den amerikanischen Literaturwissenschaftler Stanley Fish ein, der die Neuen Atheisten angreift. Auf dessen Kritik haben nur Abonnenten der New York Times Zugriff, jedoch fasst Meyers die Positionen Fishs zusammen und spricht einige entscheidende Punkte an, die Atheisten allgemein betreffen.
Ehrfürchtig bewundern wir die Höhen, die unsere Leute erreichten
Als die Buddha-Statuen von Bamiyan gesprengt wurden, war es kein Atheist, der den Zünder betätigte. Diese modernen Atheisten, die so viel Abscheu bei den Apologeten der Religion hervorgerufen haben, sind keine Zerstörer, welche die Vergangenheit niederreißen wollen, oder die eine zersetzende Ideologie voranbringen möchten - sie sind keine Philister, die Literatur und Kunst und Musik ablehnen und sie sind keine Monster, die Menschen auslöschen wollen, um ihre Ziele zu erreichen. Wir sind nicht hier, um die Welt der Ideen zu zerstören oder die Überbleibsel unserer religiösen Geschichte in Kunst und Architektur auszuradieren, obwohl uns solche schändlichen Pläne vorgeworfen wurden; solche Forderungen sind nämlich leicht als Tobsuchtsanfälle von Verrückten abzutun.
Stanley Fish geht nicht ganz so weit, wenn er diese „Neuen Atheisten” verdammt, vielleicht um den paranoiden Märtyrer-Komplex des Mobs zu vermeiden, den man leicht verspotten kann. Anstatt dass wir nun die „Neuen Kommunisten” sind, die vorhaben, die Orthodoxen nach Sibirien zu schicken, sind wir mal eben unbelesene, ungebildete Beinahe-Analphabeten mit keiner Achtung vor den Tiefen des religiösen Denkens. Wir verstehen die Nuancen nicht, heult er, wir lehnen alle Texte und Traditionen ab als „leichtgläubig, dumm und ignorant”. Wir verstehen einfach nicht, Punkt.
„Stellen Sie sich vor, sagt Hitchens, Sie wären ein religiöser Mensch, dann wären Sie davon überzeugt, dass ein gütiger, allmächtiger Schöpfer alles überwacht und dass „Sie sich für eine Ewigkeit in Ruhe und Seligkeit qualifizieren, wenn Sie sich an die Regeln und Gebote halten, die er liebevoll vorgeschrieben hat”.
Mir ist kein religiöses System bekannt, welches ein derart selbstgefälliges Bild vom Glaubensleben bietet, ein Leben, das immer als ein Minenfeld von Schwierigkeiten, Hindernissen und Versuchungen dargestellt wird, die von einer beschränkten Kreatur in seinen oder ihren Anstrengungen ausgehandelt werden muss, um mit dem Unendlichen übereingestimmt (und verbündet) zu werden. Die Klage des Hl. Paulus kann für viele gelten: „Das Gute, das ich tun würde, tue ich nicht; aber das Böse, das ich nicht tun würde, tue ich… Wer soll mich erlösen?” (Römer, 7: 19, 24). Die Qual dieser Frage und die unglaublich nuancierten und eleganten Schriften von denen, die versucht haben, sie zu beantworten, sind das, was die drei Atheisten übersehen; und indem sie so viel übersehen, sind sie in der Lage, eine Denkweise mal eben so lustig zu entlarven, die sie nicht einmal einsatzweise begreifen.”
Stanley Fish ist ein blinder Mann.
Zunächst einmal ist dieser „selbstgefällige” Glaube, von dem er behauptet, dass er nicht existiert, überall: Schalte deinen Fernseher an, Stanley. Sieh dir ein Football-Spiel an und du wirst christliche Spieler erkennen, die Gott für ihre Touchdowns verantwortlich machen. Schau dir an, wie unsere Politiker gottesfürchtig erklären, dass sie für unsere Truppen beten. Sieh dir an, wie die Fernsehprediger ihre Zuschauer mit dreister Profitmacherei melken; hast du noch niemals vom „Wohlstandsgospel” gehört? Gib dem guten Hochwürden einen Teil deines Wohlfahrt-Schecks und der Reichtum wird dir zehnfach zurückgezahlt. Der Großteil religiösen Denkens ist „leichtgläubig, dumm und ignorant”. Schalte deinen Fernseher aus und besuche deinen örtlichen konvertierten Lebensmittelladen, der von einem dieser schnellwachsenden evangelikalen/charismatischen/pfingtsbeweglerischen Kirchen verwendet wird und frage irgend einen Anwesenden und er wird dir sagen (so lange du ihn nicht beim Namen nennst), dass Hitchens Charakterisierung zutrifft. Der Glaube wird dich mit dem Paradies belohnen.
Es ist diese zweite Anschuldigung, dass wir „nicht einmal ansatzweise begreifen”, die viel unterschwänglicher und unehrlicher ist. Es ist vielmehr klar, dass Fish nicht begreift.
Sein Artikel ist übersät mit literarischen Anspielungen: Da wäre Bunyans „Pilgerreise”, dessen Held einem Erlösungstraum entgegen flieht; er verwendet Miltons „Das verlorene Paradies”, um die Existenz des Bösen mit dem Konzept des „freien Willens” zu erklären; er spielt auf das Buch Hiob und Jesu Leid am Kreuz als Beweise dafür an, dass sich die Religiösen bis heute mit dem Problem des Leids herumgeschlagen haben. Und natürlich haben sie das. Wir alle haben das.
Fish ignoriert, dass es sich hier um gänzlich menschliche Leiden, menschliche Bestrebungen, menschliche Bemühungen handelt, um einen Sinn zu finden. Er überspringt, wie so viele andere Apologeten der Religion, den Ursprung dieser Ängste und Erwartungen, und versucht das alles in Bezug auf seine eingebildete Gottheit zu rechtfertigen. Warum verlangt die Kirche von uns, einen Gott zu preisen? Weil das alles ist, was wir „angesichts seiner Allmacht und Allgegenwart” tun können. Warum verdammte Gott seine gesamte Schöpfung und ihre Nachkommenschaft für das banale Vergehen, eine verbotene Frucht zu essen, dazu, zu sündigen und zu leiden? Wenn es kein banales Vergehen gewesen wäre, dann hätte die Gottheit unsere Folgsamkeit nicht damit testen können. Wie kann ein gütiger Gott erlauben, dass der Holocaust geschieht und wie können die Leute ihren Glauben bewahren, wenn sie mit überwältigendem Bösen konfrontiert werden? Weil das alles unsere Schuld ist, unsere verschmutzende Sünde und Verderbtheit. In jedem Fall lässt Fish menschliche Ursachen und menschliche Anstrengungen aus und gräbt eine blasse theologische Entschuldigung aus, irgend ein dünnes Schmerzmittel aus der gefälligen Welt der Priester, um den vollkommen unwirklichen Taten eines unsichtbaren und unfähigen kosmischen Geistes das Wort zu reden; eine Entschuldigung für diese liebende, allmächtige, handelnde Kraft, um rein gar nichts zu tun, um seine angebliche Macht nicht wahrnehmbar zu machen.
Wir Atheisten sagen, dass wir uns von diesen schwachen Rationalisierungen abwenden müssen, ganz egal, wie poetisch sie vielleicht sein mögen, und dass wir erkennen sollten, dass ihre Macht und ihr Reiz von ihrer Menschlichkeit ausgehen, nicht von ihrer Religiosität. Vergesst Gott, diesen leeren Klotz, dieses große Vakuum, das die Menschheit mit ihren Ängsten und Träumen aufgeladen hat, und beachtet stattdessen, was wir erschaffen und gefühlt haben.Wenn jemand um ein totes Kind trauert oder ein großes Gedicht schreibt, dann sollte es überhaupt nicht entscheidend sein, was sich irgendein Priester gerade vorstellt von dem, was sein Phantom gerade so treibt. Wendet eure Augen ab von eurer himmlischen Wahnvorstellung - wirklich sind die Tränen dieser Frau, der Erfolg dieses Kindes, dieses Sandkorn, dieser fliegende Vogel. Die Bedeutung leitet sich ab von der Wirklichkeit dessen, was wir sehen und fühlen können, nicht von geschwurbeltem Dunst und eigennütziger Marktschreierei über ein abstraktes Konzept wie „Gott”.
Fish verwechselt die Ablehnung des übernatürlichen Vorwands mit der Ablehnung der Tiefe echter Gefühle. Er hat Unrecht. Ich zumindest lese seine oberflächliche theologische Fußnote mit Abscheu, weil ich erkenne, wie er das Jahrtausende alte Wunschdenken von Schamanen und Priestern an die Stelle der tatsächlichen Verfasstheit des Menschen setzt - seine versöhnlichen Entschuldigungen unterstützen Generationen von Lügen. Er verwechselt die Bemühungen der Autoren dieser Texte, Leid und Zweifel zu bewältigen, mit der Legitimität einer religiösen Antwort; ich kann gleichzeitig die Schönheit religiöser Literatur und den Kampf, der in sie gesteckt wurde, respektieren und erkennen, dass es ein Fehler wäre, sich wieder dem Willen einer eingebildeten Wesenheit zu unterwerfen. Ich denke nicht, dass Gläubige einfach gestrickt sind - Ich denke, dass das Leben hart sein kann und dass die großen Geister der Geschichte viel Mühe in den Versuch gesteckt haben, Schmerz und Schönheit einen Sinn zu geben, weil es das ist, was menschliche Geister tun. Ich denke aber auch, dass es eine verlockende Falle ist, die Aufgabe weiter zu reichen und einen unbeschreiblichen universellen Willen zu erfinden, eine Falle, in die Fish bereitwillig hinein gefallen ist und in der wir versuchen, unseren Geisteszustand auf das Universum als Ganzes zur projizieren. Das Leid des Hl. Paulus war real, aber die übernatürliche Wesenheit, an die er es richtete, war es nicht. Wenn ein Atheist die Wesenheit ablehnt, heißt das nicht, dass er das Leid nicht wahrnimmt.
In der Bibel, die Fish zitiert, steckt zum Teil viel Arbeit, einiges an wundervoller Lyrik, und sie spiegelt ein paar tausend Jahre der Bemühung von Menschen wider, die versuchen, ihre Welt zu verstehen. Was ihren Wert verringert sind nicht die Atheisten, welche die Antworten ablehnen, die sie gibt - dass ein allmächtiger magischer Mann hinter dem Universum steckt - sondern jene, die sie akzeptieren und die Bedeutung darin suchen, routinemäßig ihre Worte zu zitieren, ohne sich darum zu kümmern, wie die Geister menschlicher Wesen einiges an Trost in der Bemühung finden können, die Welt zu erklären. Statt als Gedankenspiegel wird sie behandelt wie ein Rezeptbuch für Erlösung. Vielleicht sollte Fish sein frommes Ermahnen gegen blinde Gläubige richten, die nichts wollen als eine Antwort, anstatt gegen die Wenigen, die noch immer die Frage würdigen können.
Das Gepäck abergläubigen, religiösen Denkens ist es, was Dawkins die Wahnvorstellung nennt und von dem Hitchens sagt, dass es „alles vergiftet” — nicht das Buch selbst, nicht die literarischen Qualitäten des Geschriebenen, nicht der Schmerz, der im Buch Hiob ausgedrückt oder die Liebe, die im Buch Salomon mitgeteilt wird. Keiner dieser Autoren möchte, dass die Bibel verbrannt oder ihren Lesern vorenthalten wird. Wir möchten, dass die Menschen das Buch als großes Sammelsurium menschlicher Mitteilungen verstehen, das nicht so sehr ein unsinniges Bild von etwas Göttlichem verfechtet, als vielmehr das komplexe, weltliche, manchmal hochfliegende und manchmal hasserfüllte Bild von uns selbst. Aber nein, stattdessen kriegen wir das bedeutungslose Geschwafel über die persönlichen Wünsche dieses aberwitzigen Gottes zu hören, die selbe Art fieberndes Geschwätz, das Fish als eine Rechtfertigung dafür anbietet, Atheisten vorzuwerfen, dass sie nicht die Tiefen der Gottheit verstehen würden.
Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben für die gottlose Sicht auf Ihre heiligen Bücher. Es gibt ein Buch, an das ich mich wende, wenn ich den Schmerz des Kummers fühle; ich habe es zuerst entdeckt, als meine Großmutter vor vielen Jahren starb und ich habe es seitdem mehrmals gelesen, normalerweise, wenn ich jemanden verlor, der mir etwas bedeutete. Es ist nicht wirklich ein religiöser Text, obwohl Götter und einige religiöse Konzepte darin vorkommen, aber er ist glücklicherweise frei von dem mystischem Gepäck, mit dem unsere Kultur die Bibel belädt -es ist einfacher, die übernatürlichen Beiklänge abzuschütteln, wenn der Gott nicht Jesus heißt und kein Wesen ist, das Ihre Tante für real hält, und wenn es nicht irgendwo einen Literaturkritiker gibt, der bereit ist, Ihnen mangelndes Verständnis der Nuancen vorzuwerfen, weil Sie nicht an die Zaubertricks eines alten Propheten glauben.
Das Buch ist ein episches Gedicht, Gilgamesh. Ich mag besonders die Verserzählung von Herbert Mason, die nicht so sehr eine wörtliche Übersetzung ist (das Original ist eine Sammlung von 2500 Jahre alten babylonischen Steintafeln), als vielmehr ein Versuch, den Geist der Geschichte einzufangen. Falls Ihnen das nichts sagt, legen sie diese Bibel weg und lesen Sie es - es ist im Prinzip ein Klagegesang über die Sterblichkeit. Es handelt von einem König, Gilgamesh, dessen geliebter Freund Enkidu stirbt und ihn am Boden zerstört voller Kummer zurück lässt.
Enkidu, den ich so sehr liebe,
Der mit mir durch dick und dünn gegangen ist.
Er starb - wie jeder gewöhnliche Mensch.
Tag und Nacht weinte ich.
Ich wollte ihn nicht in ein Grab legen.
Er wird auferstehen, das weiß ich, eines Tages.
Dann jedoch sah ich, dass er tot war.
Sein Gesicht fiel nach mehreren Tagen
In sich zusammen,
Wie Spinnweben, die ich berührte
Mit meinem Finger.
Hier ist der Prüfstein, das gemeinsame Element, das Atheisten und Theisten teilen und das im Kern jener Arbeiten liegt, die Fish hochleben lässt und von denen er glaubt, dass sie die gottlosen Philister ablehnen. Wir sind mit der menschlichen Erfahrung verwoben; es sind nur die oberflächlichen und eifernden Kritiker, die glauben, dass einige von uns das Wesentliche nicht begreifen, weil wir nicht an die Göttlichkeit von Anu und Marduk glauben … oder von Jesus oder Mohammed.
Der Rest der Geschichte ist eine Suche, weil Gilgamesh nach einem Weg sucht, seinen Freund von den Toten zurückzubringen oder Unsterblichkeit für sich selbst zu gewinnen. Es sind Gottheiten und Monster daran beteiligt, einige interessante mythologische Figuren, Reisen in die Unterwelt, etc. — alles sehr spannend, so lange Sie bereit sind zu erkennen, dass es alles Dichtung und Gleichnis und Geschichtenerzählen ist. Was ich als Atheist am befriedigensten finde, ist, trotz allem, die Glaubwürdigkeit. Es handelt sich um eine Geschichte über Verlust, und, am wichtigsten, die Suche schlägt fehl - sein Freund wird ihm nicht wieder zurück gegeben, er erkennt, dass er eines Tages auch sterben wird und dass es kein unbedachtes, leeres Versprechen gibt, dass wir in einem paradiesischen Nachleben wieder vereint sein werden, wenn wir nur die richtigen Rituale ausüben. Wir leben, wir sterben, Menschen trauern, das ist die harte Wahrheit.
Als er diesen Verlust als
Das Ende seiner Reise erkannte
Kehrte er nach Uruk zurück.
Vielleicht, fürchtete er,
Würde sein Volk den Schmerz
Nicht teilen, den er kannte.
Er betrat die Stadt und fragte einen blinden Mann
Ob er jemals den Namen Enkidu gehört habe,
Und der alte Mann zuckte mit der Achsel und schüttelte den Kopf,
Wandte sich dann ab,
Als ob er sagen wollte, dass es unmöglich ist,
Die Namen von Freunden zu behalten,
Die wir verloren haben.
Gilgamesh sagte nichts weiter
Um sich von seinem Schmerz abzulenken.
Er betrachtete die Mauern,
Bewunderte ehrfürchtig die Höhen,
Die seine Leute erreicht hatten
Und für einen Moment - nur einen Moment –
Verschwand alles, was hinter ihm lag
Aus seinem Blick.
An der gottlosen Sicht ist mehr dran als nur das „fröhliche Enthüllen” und der vermutete Mangel an Verständnis, den uns Fish mitteilt. Wir entkommen dem Leid nicht, uns fehlen keine Freuden und wir versuchen so hart wie (ich denke sogar noch härter als) die Gläubigen, Sinn in unserem Leben zu finden. Wir akzeptieren einfach nicht die Abkürzung des magischen Denkens, die geistigen Faulpelzen erlaubt, den Pfad des religiösen Eskapismus zu folgen.
Ehrfürchtig bewundern wir die Höhen, die unsere Leute erreichten. Keine Götter, keine Religion. Wir.
Übersetzung: Andreas Müller
Original: PZ Meyers: “We stand awed at the heights our people have achieved”. Pharyngula. 12. Juni 2007
nickpol - 5. Juli, 19:11